Bünde: Bünder Tonwerk ("STALOTON")
32257 Bünde, Ackerhagen 14
Betriebszeit 1897-1990 Bahnbetrieb Feldbahn (600 mm) 19xx-1972/3 Zurück zur Übersicht Werkbahnen |
Für die Ansiedlung größerer Gewerbebetrieb wurden Ende des 19. Jahrhunderts auf der Nordseite des Bahnhofs Bünde größere Flächen bereitgestellt. Da diese Flächen – ebenso wie der Bahnhof selbst – schon in der Gemeinde Ennigloh lagen, wurden auch die neuen Industrieflächen als „Gewerbegebiet Ennigloh“ bezeichnet. Erst Anfang 1969 wurde Ennigloh, inzwischen längst mit Bünde zusammengewachsen, in die Stadt Bünde eingemeindet. Im neuen Gewerbegebiet wurde auch das 1897 gegründete „Bünder Tonwerk“ errichtet. |
Lageplan des Bahnhofs Bünde auf Kartenmaterial der US-Army mit dem nördlich davon gelegenen Industriegebiet. |
Zu den ersten Eigentümern gehörte August Steinmeister jun., Sohn des bedeutenden Bünder Industriellen August Steinmeister (1820–1874). Nach dem Tod von August Steinmeister jun. 1914 trennte sich die Familie von ihren Anteilen am Tonwerk.
1930 wird als Betriebsleiter Georg Stöver erwähnt, zu dieser Zeit waren schon zwei Ringöfen vorhanden.
1932 gingen die von Frau Trappen aus Bielefeld (vermutlich die Witwe des Baumeisters Alexander Trappen, 1853–1930) gehaltenen Anteile an Heinrich Hensik (1909–1974) über. Hensiek stammt aus dem nahegelegenen Buer, heute ein Stadtteil von Melle, wo seine Eltern bereits eine Ziegelei betrieben, die nun von seinem Bruder weitergeführt wurde.
Mit dem Einstieg Hensieks veränderte sich im Bünder Tonwerk die Produktpalette. Wurden bis dahin Mauersteine, Radialsteine, Pflasterklinker und Dachpfannen hergestellt, konzentrierte sich der Betrieb nun ganz auf Klinker. Ab 1935 wurden zudem unglasierte Klinkerplatten für den Wohnungs- und Industriebau hergestellt. Für den überregionalen Versand der vergleichsweise speziellen Produkte stand ein eigenes Anschlussgleis zur Verfügung.
1936 wurde das Bünder Tonwerk als „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ ausgezeichnet; eine Ehrung, die in der Region nur wenigen Betrieben zu Teil wurde. Als Besonderheit der Fabrik wurden die vorbildlichen Absauganlagen und Filteranlagen hervorgehoben, die Arbeitsbedingungen waren damit nach zeitgenössischen Maßstäben vergleichsweise gut. 1939 wurde – für Ziegeleien durchaus ungewöhnlich – ein Kameradschaftshaus eröffnet, das nicht nur den Lippischen Zieglern als Unterkunft diente. Es gab auch Aufenthaltsräume, eine Ehrenhalle mit Führerbüste und einen Schießstand. Eine vom Deutschen Historischen Museum in Berlin verwahrte, leider nicht datierte Bildserie zeigt die Einweihung mit zahlreichen Vertretern von Partei und NS-Verbänden. Anders als die nahegelegene Dampfziegelei Ennigloh blieb das Bünder Tonwerk im Zweiten Weltkrieg in Betrieb, zeitweise auch unter Einsatz von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen.
Ende der 1930er-Jahre entstand der Markenname „STALOTON“, in dem die besondere Härte der Steine anklingen sollte. Nach 1945 wurde die Bezeichnung in den Firmennamen aufgenommen, sie lautete nun „STALOTON-Werke Bünder Tonwerk“. In Velpe (Gemeinde Westerkappeln) wurde in den 1950er-Jahren ein Zweigwerk errichtet, mit dem eine Arbeitsteilung bestand: Während alle trockengepressten Fabrikate (Klinkerplatten, Fußbodenplatten) in Ennigloh hergestellt wurden, war Velpe für nassgepresste (genaue: nassstranggepresste) Produkte zuständig (Pflaster und Verblender). Die Produkte aus Bünde wurden international vertrieben, selbst für Nordamerika wurde eine Vertriebsorganisation aufgebaut. In den 1960-Jahren wurden im Bünder Tonwerk 160 MItarbeiter beschäftigt, darunter zahlreiche "Gastarbeiter", von denen heute noch viele in Bünde wohnen.
1990 wurde das Werk in Ennigloh eingestellt, STALOTON konzentrierte sich ganz auf den Standort Velpe. Das dortige Werk ist bis heute in Betrieb, nach einer Insolvenz 2010 ging es allerdings in den Besitz der ABC-Klinkergruppe über.
Von der Ziegelei in Bünde gibt es heute keine Spuren mehr. Das Werksgelände wurde vom benachbarten „Imperial“-Werk aufgekauft und ist inzwischen vollständig überbaut. Der letzte Firmensitz von STALOTON (Ackerhagen 14, 32257 Bünde) liegt heute inmitten des Imperial-Werkes.
Feldbahnbetrieb: Die Grube lag nördlich des Werkes. Die Feldbahnstrecke kreuzte die zwischen Werk und Grube gelegene Borriesstraße niveaugleich mit einem Bahnübergang. Die Gleise lagen noch lange nach der Betriebseinstellung in der Strasse. Fünf zwischen 1938 und 1961 neu an das Bünder Tonwerk gelieferte Lokomotiven sind bekannt. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass ein Teil der Loks auch an externen Abbauorten eingesetzt wurde, beispielsweise in der Grube östlich der Dampfziegelei Ennigloh. Der Feldbahnbetrieb im Hauptwerk endete in den Jahren 1972/3 (Recherche und Text: Burkhard Beyer).
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Literatur und Quellen
Es wurden folgende Quellen ausgewertet:
- Burkhard Beyer, Verzeichnis der Ziegeleien in Westfalen und Lippe 1905 bis 1953
Auswertung der Fachadressbücher und Branchenverzeichnisse (Materialien der Historischen Kommission für Westfalen, Band 13), Münster 2017 - Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Bünde, Bünde im Nationalsozialismus. Ein Quellenverzeichnis präsentiert vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Bünde, Arbeitslager und Kriegsgefangenenlager
- Rolf Momberg, Ziegeleien überall. Die Entwicklung des Ziegeleiwesens im Minden-Lübbecker Land und in der angrenzenden Nachbarschaft, Minden 2000, S. 180-182.
- Erinnerungen von Manfred Sander, Bünde