Geschäftsbericht der Strassenbahn Bielefeld für das Jahr 1907
Erstattet von Direktor C. Brüggemann
für die Zeit vom 1. April 1907 bis 31. März 1908.
Strassenbahn - 7. Berichtsjahr
Im abgelaufenen Berichtsjahre, dem 3. nach der Tarifänderung, sind in jeder Hinsicht wieder normale Betriebsverhältnisse eingetreten.
Die Mindereinnahme aus Karten, die im vorigen Jahr gegenüber dem Jahr vor der Tarifänderung noch 15.497 M betrug, ist in diesem Jahr, wie vorauszusehen war, auf den unerheblichen Betrag von 2.471 M zurückgegangen, dieser Fehlbetrag wird jedoch durch eine entsprechende Mehreinnahme aus Fahrscheinen reichlich ausgeglichen.
Die Einnahme aus Fahrscheinen beträgt 347.236 M gegen 287.431 M im Jahr vor der Tariferhöhung, die Gesamteinnahme beläuft sich auf 409.666 M gegen 356.138 M.
Der volle Erfolg der Tarifänderung lässt sich am deutlichsten aus folgenden Ergebnissen erkennen;
Der Verkehr ist nicht zurückgegangen, sondern hat in gleicher Weise zugenommen, wie vor der Tariferhöhung. Die Zahl der Fahrgäste betrug im Berichtsjahr 4.143.644 gegen 3.922.064 im Jahr vor der Tariferhöhung. Die Einnahmen für eine beförderte Person sind von 9,1 Pfg beim früheren Tarif auf 9,9 Pfg in diesem Jahr angewachsen. Die Einnahme für ein Wagenkilometer ist von 31,8 Pfg auf 34,7 Pfg gestiegen.
Wie notwendig die Tarifänderung zur Erzielung höherer Einnahmen war, lässt sich aus folgendem erkennen. Durch das starke Ansteigen der Löhne in den letzten Jahren und das Anwachsen insbesondere der Kosten für Erneuerung der Gleisanlagen sind die Ausgaben bedeutend gewachsen; sie betrugen im Berichtsjahr 26,2 Pfg auf ein Wagenkilometer gegen 24,8 Pfg vor der Tarifänderung. Wenn nun bei diesen höheren Ausgaben noch dieselben oder infolge des früheren stetigen Rückganges noch geringere Einnahmen erzielt würden als vor der Tarifänderung, nämlich 31,8 Pfg anstatt 34,7 Pfg für das Wagenkilometer, so würde in diesem Jahr zur Verzinsung und Abschreibung des Anlagekapitals nicht ein Zuschuss von 25.000 M, sondern von rund 59.000 M erforderlich sein.
Im vergangenen Jahre wurde die Lohnstaffelung für die Führer und Schaffner in der Weise günstiger gestaltet, dass der Anfangslohn, der früher im ersten halben Jahr 95 M für den Monat betrug auf 100 erhöht wurde, ferner wurden zwei neue Staffeln für das 8. und 12. Dienstjahr mit 125 M und 130 M eingeführt.
Eine weitere Vergünstigung wurde den Angestellten der Strassenbahn zu Teil durch die für alle städtischen Arbeiter eingeführte Zahlung von Vergütungen oder des Lohnes bei Arbeitsversäumnis infolge von Krankheit oder sonstiger Behinderung.
Ein schwerer Unfall ist für dieses Berichtsjahr zu verzeichnen; ein 9jähriger Knabe wurde infolge seiner Unvorsichtigkeit überfahren und ist an den Verletzungen gestorben. Sonst verlief der Betrieb ohne erhebliche Störungen oder Unfälle.
Quelle: Jahres-Bericht über das Gaswerk, das Elektrizitätswerk und die Strassenbahn der Stadt Bielefeld. Erstattet von Direktor C. Brüggemann für die Zeit vom 1. April 1907 bis 31. März 1908.(Stadtarchiv Bielefeld).