Geschäftsbericht der Strassenbahn Bielefeld für das Jahr 1929
Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerk, Strassenbahn, Kraftwagenbetrieb und Verkehrsamt
für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1929
Allgemeines
Die Wirtschaftslage in dem von den städtischen Werken belieferten Versorgungsgebiete war im Berichtsjahr durch einen außerordentlich hohen Stand der Arbeitslosigkeit gekennzeichnet.
Die höchste Zahl der Arbeitslosen im Jahre 1929 betrug 12.271 gegen 11.262 im Jahre 1928 bei einer Zahl von rund 83.000 versicherungspflichtigen Arbeitnehmern.
Da die städtischen Werke Gas, Wasser und Strom an die verschiedenartigsten Abnehmergruppen für vielfältige produktive und konsumtive Zwecke verkaufen und ihre Verkehrsmittel - sei es Straßenbahn oder Autobus - für die Beförderung der Arbeitnehmerschaft zur Arbeitsstelle von wesentlicher Bedeutung sind, haben die Werke auch mit den Einwirkungen konjunktureller Einflüsse absatzmäßig zu rechnen.
Entsprechend den äußeren ungünstigen Einflüssen konnte das finanzielle Ergebnis in der Gesamtheit nicht besser als das des Vorjahres werden.
Die Durchschnittseinnahme im laufenden Jahre betrug für 1 m3 erzeugtes Gas 12,9 Pfg., für 1 m3 gewonnenes Wasser 17,92 Pfg. und für eine erzeugte kWh 10,98 Pfg.
Bei einem Bruttoüberschuß (Einnahmen minus Ausgaben plus Zinsen] von 4.582.027 RM. wird das Anlagekapital (Anschaffungswert) der Werke mit 10,36% verzinst.
Der an die Kämmereikasse abzuführende Gewinn ergab sich buchmäßig für das Gaswerk mit 160.000 RM., für das Elektrizitätswerk mit 1.077.648. RM., in Summa mit 1.237.648 Reichsmark. Zum Ausgleich des städtischen Etats wurden die Werke zur Abgabe von weiteren 262.352 RM. herangezogen, die dem Rücklagekonto entnommen werden mussten. Die Gesamtsumme der Barabführungen an die Kämmereikasse beläuft sich demnach auf 1.500.000 RM. Die gesamten an die Stadtverwaltung geleisteten Abgaben haben nach der Aufstellung, S.7 einen Wert von 1.994.335 RM.
Allgemein ist es in den Städten zur Regel geworden, aus den städtischen Betrieben an Reingewinn mehr herauszuholen, als sich buchmäßig ergeben hat. Der von der Kämmereikasse geforderte Reingewinn wird teils durch Verringerung der Abschreibungen, teils durch Entnahme aus Rückstellungen oder durch Aufnahme von Anleihen geschaffen, unter gleichzeitiger Erhöhung der Tarife.
Dass diese künstliche Gewinnkonstruktion auf die Dauer in dieser Weise nicht fortgesetzt werden kann und zum Ruin führen muss, ist klar. Genauso wie die Privatindustrie die Möglichkeit der Eigenkapitalbildung für sich beansprucht, muss auch den städtischen Werken, wenn sie gesund bleiben wollen, die Möglichkeit der Eigenkapitalbildung gegeben werden. Es geht nicht an, bei den städtischen Versorgungsbetrieben z.B. alle Erweiterungen, vor allem auch die der Rohr- und Kabelnetze, durch Aufnahme von Anleihen vorzunehmen, denn derartige Erweiterungen sind, besonders auch in den Eingemeindungsgebieten, in den ersten Jahren nicht wirtschaftlich und würden dazu noch durch die hohen Zinssätze der Anleihen mitbelastet.
Je mehr die Gas-, Wasser- und Stromabgabe steigt, umso eher kommt der Zeitpunkt näher, wo Erweiterungen nötig sind. Auch werden durch den raschen Fortschritt der Technik und der Chemie die Zeiträume immer kürzer, in denen heute eine moderne Anlage veraltet. Deshalb muss heute mehr denn je der Grundsatz Geltung erhalten, rechtzeitig die Rücklagen zu schaffen, die für die Erweiterung und Erhaltung der Werke erforderlich sind. Nur wenn den Werken die Möglichkeit gegeben wird, ihre Einrichtungen auf voller technischer Höhe zu halten, wird es möglich sein, auch weiterhin regelmäßig erhebliche Summen zur Deckung des kommunalen Finanzbedarfes frei zu machen und den Verbrauchern Gas, Wasser und Strom einwandfrei und zu- billigen Preisen zu liefern.
Von besonders ungünstiger Wirkung auf die Lage der Werke ist es, wenn Rückstellungen, die für Wiederherstellung, Verbesserung oder Ergänzung der Anlagen gemacht werden, zur Deckung des städtischen Finanzbedarfs herangezogen werden, zumal diese Rücklagen in bar selten vorhanden, sondern bereits in Anlagewerte umgesetzt sind.
Unter den gegenwärtigen Verhältnissen können die öffentlichen Betriebe Anleihen in ausreichender Menge nicht er langen. Sie müssen daher versuchen, einen Teil des Kapitalbedarfes aus eigenen Mitteln zu finanzieren, die nur den Betriebsüberschüssen der Werke entnommen werden können. Die Finanzierung der städtischen Versorgungsbetriebe ist eine sehr wichtige volkswirtschaftliche Angelegenheit, an der nicht nur die Verbraucher, sondern auch weitere Kreise der Wirtschaft ein vitales Interesse haben, nämlich alle diejenigen Unternehmer und Arbeiter, die auf dem Gebiete der Lieferung und des Baues der öffentlichen Versorgungsbetriebe tätig sind. In der Zeit der großen Arbeitslosigkeit ist es notwendig, dass die Kommunen in ihren gewerblichen Unternehmungen eine Finanzpolitik betreiben, die die großen Versorgungsbetriebe als industrielle Arbeitgeber aktionsfähig hält. Aus diesem Grunde dürfen die Überschüsse des öffentlichen Unternehmungen nicht restlos der Kammereıverwaltung zugeführt werden, sondern sie müssen zu einem Teil für die eigenen Bedürfnisse der Werke verfügbar bleiben.
Die Besteuerung der öffentlichen Versorgungsbetriebe wurde bei den Etatsberatungen im Reichstag und in der Öffentlichkeit eingehend erörtert und fand besonders die Zustimmung der Industrie- und Handelskammern. Man scheint sich jedoch in diesen Kreisen über die Auswirkung der Besteuerung der öffentlichen Versorgungsbetriebe nicht ganz klar zu sein. Die Steuerbeträge müssen dem Nettoüberschuss der Betriebe entnommen werden, wodurch sich die Gewinnabführung an die Kämmereikasse verringern würde; auch dürfte der Anteil, den die Stadt vom Reich aus diesem Steueraufkommen zurückerstattet erhält, nur gering sein. Die Folge würde sein, dass, falls die Gewinnabführung prozentual in gleicher Höhe wie früher erfolgen sollte, die Werkstarife erhöht werden müssten. oder, falls dieses nicht angängig sein sollte, die geringere Gewinnabführung durch erhöhte Real- oder Gewerbe-Steuerzuschläge ausgeglichen werden müsste, um den städtischen Etat zu bilanzieren.
Die Zins- und Tilgungssätze durch die in den letzten Jahren aufgenommenen Anleihen haben im Berichtsjahr bereits eine Höhe von 718.454 RM. erreicht.
An Steuern sind 416.571 RM. gezahlt worden, gegen 281.500 RM. im Jahre 1928.
Da die Elektrifizierung in unserem Versorgungsgebiet sehr weit fortgeschritten ist, läßt sich auch an der Kurve des Kraftstromverbrauchs der Beschäftigungsgrad der Wirtschaft ablesen, so dass der Stromabsatz ein besonders geeigneter Maßstab für Konjunkturschwankungen ist.
Die Stromabgabe an die Großindustrie, welche 55,5 % der Gesamtstromabgabe umfasst, ist um 4,8% zurückgegangen. Wenn trotzdem im Stromabsatzgeschäft unserer Werke sich eine geringe Erhöhung des Verkaufs an elektrischem Strom um rund 2% zeigt, so hat dieses Seinen Grund in der noch möglichen Absatzsteigerung im Kleingewerbe und Haushalt und als Beleuchtungsstrom.
Der Gasverkauf hat einen Zuwachs von etwa 4% zu verzeichnen, ein Beweis dafür, dass die Verbreitung des Gases als Wärmefaktor im Haushalt, Gewerbe und in der Industrie nach wie vor in der Weiterbildung begriffen ist. Die relativ günstigen Verbrauchsentwicklungsmöglichkeiten für Gas und Strom, besonders im Haushalt, sollen dadurch gefördert werden, dass ab 15. November (1929) des Berichtsjahres gemeinsam mit den Installateuren und Vertretern des Einzelhandels das Teilzahlungsgeschäft für im „Haus der Technik“ ausgestellte Gas- und elektr. Geräte eingeführt werden ist. Es soll hierdurch allen Bevölkerungsschichten ermöglicht werden, sich zum sofortigen Gebrauch auf dem Wege der Teilzahlung Gas- und elektrische Leitungen installieren zu lassen und elektrische und Gasgeräte anschaffen zu können.
Das „Haus der Technik“ – am Jahnplatz im Mittelpunkt der Stadt gelegen – dessen Bau am 1. August 1928 begonnen worden war, wurde im Berichtsjahr fertiggestellt und konnte am 23. November seiner Bestimmung übergeben werden. Das H.d.T. enthält ein Umspannwerk und eine umfangreiche Hoch- und Niederspannungsanlage, um das Stadtinnere infolge Überlastung des Gleichstromnetzes von Gleichstrom 2x220 Volt im Laufe der Zeit auf Drehstrom 380/220 Volt umzustellen. Mit der Umstellung wurde bereits gegen Ende des Jahres begonnen. Außer der Schaltanlage, einer Wohnung und einer Anzahl von Büros und einem Laden für Fremde enthält das H.d.T. die Büros und das Sitzungszimmer unserer Beratungsstelle für Gas und Strom. Hier können die Abnehmer in allen Fragen, die Licht, Wärme und Kraft betreffen, sich Rat und Belehrung holen. Zur Unterstützung der Beratungsstelle und zum Zwecke der Werbung sind in dem Hause außer einem mit allen modernen Einrichtungen ausgerüsteten großen Vortragssaal im ersten Stockwerk, im Erdgeschoss und in den Kellerräumen Ausstellungs- und Vorführungsräume vorhanden, in denen die gebräuchlichsten Gas- und elektrischen Geräte für Haushalt, Gewerbe und Industrie ausgestellt und vorgeführt werden. In einem der obersten Stockwerke befindet sich eine Lehrküche, in welcher unter Leitung einer Lehrdame die Hausfrau an Gas- und elektrischen Herden geschult, in der Anwendung der modernsten Küchengeräte unterrichtet werden und sie auch selbst auf ihre Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beim Gebrauch prüfen kann.
Im obersten Stockwerk sind Demonstrationsräume für „Sehen und Beleuchten“ sowie Gas- und Elektro-Demonstrationsräume vorhanden, um Architekten, Bauherren, Installateure usw. beim Bau von Wohn- und anderen Gebäuden über die Anlage einer zweckmäßigen Beleuchtung sowie über gutes und fehlerhaftes Installationsmaterial u.a.m. zu beraten und aufzuklären.
Durch die Neubautätigkeit ist ein weiteres Ansteigen der Hauswasserverbrauchskurve, insbesondere durch ausgedehnte Verwendung von Wasser für Warmwasserversorgung, Spül- und Badezwecke ersichtlich. Wenn auch die geförderte Wassermenge mit 4.672.018 m3 um etwa 120.000 m3 gegen das Jahr 1928 zurückgeblieben ist, so hat dieses seinen Grund darin, dass infolge des trockenen Sommers und der geringen Niederschlagsmengen der Wasserverbrauch durch Verbot der Straßen- und Gartensprengungen eingeschränkt werden musste. Die Niederschlagshöhe im Jahre 1929 betrug 533 mm gegen ein Jahresmittel von 875 mm in den letzten zehn Jahren. Durch die geringen Niederschlagsmengen ist ein allgemeines Absinken des Grundwasserstandes um ungefähr 1,2 m zu beobachten, der natürlich auch von größtem Einfluss auf die Ergiebigkeit unserer Wasserversorgungsanlagen ist.
Da die fehlenden Wassermengen in absehbarer Zeit nicht durch auch noch so große Niederschläge ersetzt werden können, hat der Betriebsausschuss beschlossen, obwohl die Genehmigung zur Fortleitung des Wassers noch nicht erteilt ist - der Verleihungsantrag ist bereits am 14.3.1928 gestellt worden -, mit dem Bau des Wasserwerks Ill auf dem sogenannten Flugplatzgelände sofort zu beginnen, um die Wasserversorgung der Stadt Bielefeld und des Eingemeindungsgebietes für die nächsten Jahre sicherzustellen.
Durch die Anfang des Berichtsjahres einsetzende und etwa bis Mitte April anhaltende Frostperiode trat eine große Zahl von Wasser- und Gasrohrbrüchen auf. Das lange Frostwetter bedingte beim Gaswerk auch eine ungewöhnlich steigende Nachfrage nach Gaskoks, die nur schwer befriedigt werden konnte.
Nach der Zusammenstellung auf Seite 8 ist die Gasabgabe auf den Kopf der Bevölkerung von 165,61 m3 im Jahre 1928, auf 176,24 m3 im Jahre 1929, die Stromabgabe von 186,85 kWh auf 189,64 kWh gestiegen, die Wasserabgabe blieb infolge der Einschränkungen dieselbe. Die Benutzungsstundenzahl des Zentralen-Maximums des Elektrizitätswerkes ist von 2.780 auf 2.970 Stunden im Berichtsjahr angewachsen.
Um Rücklagen für den in den nächsten Jahren notwendigen Bau des Wasserwerkes IV in Dalbke und für Erweiterungen des Rohrnetzes im Eingemeindungsgebiet zu schaffen, wurde der Wasserpreis bereits am 1. April (1929) von 22 Pfg./m3 auf 25 Pfg./m3 heraufgesetzt, die Wassermessermieten wurden verdoppelt.
Im übrigen blieben die Gas-, Strom- und Straßenbahntarife die gleichen wie im Jahre 1928. Am 1. Januar 1929 wurden die Umsteigeberechtigung von Straßenbahn auf Autobusbetrieb und umgekehrt und dabei gleichzeitig für den Autobusbetrieb dieselben Fahrpreise wie bei der Straßenbahn eingeführt.
Das Lager des Elektrizitätswerkes und der Straßenbahn wurde im Berichtsjahr mit dem Lager des Gas- und Wasserwerks vereinigt, so dass in Zukunft für sämtliche Betriebe nur noch ein gemeinsames Lager vorhanden ist.
Hierdurch ist es möglich, nennenswerte Ersparnisse zu erzielen und die Lagervorräte, die bei der bisherigen Lagerführung oft doppelt gehalten werden mussten, wesentlich zu senken.
Gleichzeitig mit der Zusammenlegung der Lager erfolgte die Inbetriebnahme des neuen Bahnanschlusses, wodurch die bisherigen schwierigen Transportverhältnisse vom Güterbahnhof vollständig beseitigt wurden.
Der Personalbestand war am 31. Dezember 1929: 47 Beamte, 86 Dauerangestellte, 38 Hilfsangestellte, 885 Arbeiter = 1056 Personen. Zwei Beamte und 14 Arbeiter konnten im Jahre 1929 auf eine 25jährige Tätigkeit beim Betriebsamt zurückblicken. Ein Angestellter und 5 Arbeiter unserer Werke traten im Berichtsjahre in den wohlverdienten Ruhestand.
Alle weiteren Angaben sind in den Berichten über die einzelnen Werke und Betriebe zu entnehmen.
Straßenbahn - 29. Betriebsjahr
Durch die im Herbst 1929 erfolgte Einstellung der im Jahre 1928 in Auftrag gegebenen 8 eisernen Großraumtriebwagen und 16 Großraumanhängewagen trat die nötige Entlastung des in den letzten Jahren so außergewöhnlichen Anforderungen ausgesetzten Wagenparkes ein.
Die Scheinwerfer der neuen Triebwagen sind abblendbar eingerichtet, die Scherenstromabnehmer zur Verminderung der Rundfunkstörungen mit Kohleschleifstücken ausgerüstet; im übrigen gleichen die neuen Trieb- und Anhänge-Wagen in ihrem Äußeren und auch in den inneren Einrichtungen den im vergangenen Jahre beschafften Straßenbahnwagen.
7 alte Anhängewagen aus dem ersten Betriebsjahre 1900 konnten mit der Indienststellung dieser 16 neuen Anhängewagen endgültig außer Betrieb gesetzt und verschrottet werden; ein ebenfalls verfügbarer Anhängewagen aus dem Jahre 1900 wurde, um die Anschaffungskosten eines neuen Salzwagens zu ersparen, in eigener Werkstatt zum Salzwagen umgebaut.
In Reserve stehen z. Zt. noch, aus dem Jahre 1900 stammend, 4 Trieb- und 3 Anhängewagen; die letzteren sollen im Jahre 1930 außer Betrieb gesetzt werden. Die 4 Triebwagen aus 1900 werden in Zukunft ausschliesslich als Einsatzwagen nur im äußersten Notfalle Verwendung finden.
Unser Wagenpark umfasst einschl. dieser Reservewagen z. Zt. 65 Trieb- und 56 Anhängewagen.
Der Wagenpark reichte damit aus, um am 7. Oktober auch auf der Linie 3 vom 10-Minutenbetrieb auf den 5-Minutenbetrieb, der die Einstellung von weiteren 5 zu den bereits dort laufenden 5 Triebwagen erforderlich machte, überzugehen. Ein weiterer Triebwagen wurde auf der Linie 2 eingesetzt, als auch hier am 7, Oktober der 5-Minutenbetrieb von Sieker über die Kaiserstraße hinaus bis zur Hallenstraße ausgedehnt wurde.
Im Laufe des Jahres 1929 wurden weiter in eigener Werkstatt an 3 Trieb- und 5 Anhängewagen die bislang offenen Plattformen in geschlossene umgebaut. Damit erhöht sich die Zahl der Straßenbahnwagen, die durch uns von offener in geschlossene Plattform umgeändert wurden, auf 21 Trieb- und 6 Anhänge-Wagen. Außer den im Jahre 1928 mit besonderen Heizkörpern ausgerüsteten Wagen wurden 1929 in weitere 17 Trieb- und 9 Anhänge-Wagen ebenfalls in eigener Werkstatt besondere Heizkörper, und zwar pro Wagen je 4 zu 500 Watt, eingebaut.
Ohne die in Reserve stehenden 4 Trieb- und 3 Anhänge-Wagen waren im Winter 1929 insgesamt 80% aller Trieb- und 90% aller Anhänge-Wagen mit geschlossenen Plattformen und 100% aller Trieb- und ebenfalls 90% aller Anhänge-Wagen mit Heizung ausgerüstet.
In der Straßenbahnwerkstatt wurden insgesamt 47 Hauptuntersuchungen an Trieb- und 19 Hauptuntersuchungen an Anhänge-Wagen vorgenommen. Neben den üblichen kleineren Reparaturen Wurden 13 durch Zusammenstöße beschädigte Trieb- und Anhänge-Wagen instandgesetzt. Eine Neulackierung erhielten 12 Trieb- und 5 Anhänge-Wagen.
Die 2,60 m breiten Tore der Wagenhallen 1 und 2 wurden umgebaut und auf ein lichtes Maß von 3,20 m gebracht, um Unfälle von Bediensteten an den Pfeilern bei der Durchfahrt von Wagen in dem engen Profile in Zukunft auszuschließen. Die Einfahrten zur Wagenhalle 3werden entsprechend im Jahre 1930 umgebaut werden. Der so dringend notwendige Bau der neuen Werkstatt musste abermals aus Mangel an Mitteln um ein weiteres Jahr zurückgestellt werden.
Neben zahlreichen kleineren Unterhaltungsarbeiten und Erneuerungen, die in der Auswechselung von schadhaften Gleisstücken der Linie 1 und 2 in einer Gesamtlänge von 600 m im Profil 4 und 102 und in der Auswechselung von abgenutzter Oberleitung mit einer Länge von insgesamt 4915 m durch Profildraht von 80 qmm Querschnitt bestanden, wurden an größeren Umbauten und Erweiterungen auf den bestehenden Linien durchgeführt:
1. Linie 1:
a) 185 m Gleiserneuerung in der Düppelstraße, doppelgleisig, zum Teil mit neuem Unterbau und im Profil 102 und 4.
b) Erweiterung der Ausweiche Möller in Schildesche um 33 m im Profil 102.
c) Zweigleisiger Ausbau von Brackwede-Friedhof bis zur Ausweiche Landwehr, teils in Profil R 5 auf Holzschwellen in eigenem Bahnkörper und teils auf Packlage im Profil und 102 innerhalb der Provinzialstraße, insgesamt auf eine Länge von 607 m unter Einbau eines Gleiswechsels hinter Landwehr und unter gleichzeitiger Erneuerung des alte bestehenden Gleises einschl. Unterbau.
2. Linie 2:
Doppelgleisige Erneuerung des Unterbaues zwischen Landgericht und Gartenstraße an eine Länge von 155 m und Auswechselung der alten Schienen beider Gleise durch Profil 4. Bei diesen Gleisarbeiten wurden insgesamt 274 Stöße aluminuthermisch geschweißt.
Die Zahl der den Behörden gemeldeten Unfälle betrug 76, davon verliefen 40 ohne, 27 mit leichten, 7 mit schweren Verletzungen und 2 tödlich. 53 Fälle waren auf Selbstverschulden (36 Fälle durch Auf- und Abspringen während der Fahrt), die übrigen 23 Fälle auf unglücklichen Zufall zurückzuführen. Von den von den Unfällen betroffenen Personen waren 49 Fahrgäste, 23 Passanten und 4 Fahrbedienstete.
Kraftwagenbetrieb - 5. Betriebsjahr
Das 5. Betriebsjahr zeichnet sich aus durch die Ausdehnung des Omnibusbetriebes auf Vorortstrecken, auf denen der Omnibus als Zubringer der bestehenden Straßenbahnlinien eingesetzt wurde und als Vorläufer einer später auszubauenden Strassenbahnlinie gedacht ist.
Im Jahre 1928 hatten wir uns darauf beschränkt, eine Verbindung der Vorortgemeinden Stieghorst und Hillegossen mit dem Endpunkte der Strassenbahnlinie 2 in Sieker und der Vorortgemeinden Senne I, Senne II und Kracks mit dem Endpunkte der Straßenbahnlinie 1 am Sennefriedhof zu schaffen; damit wurde eine unmittelbare Verkehrsverbindung zwischen diesen Vorortgemeinden und der Stadt Bielefeld hergestellt.
Im Berichtsjahre wurden diese Linien in größerem Umfange ausgedehnt. So wurde die Sonntagslinie Sieker / Hillegossen zunächst bis zum Scherenkrug (Bahnhof Oerlinghausen) und gleichzeitig auch werktags befahren. Der Betrieb wurde hier am 26.8.(1929) mit einstündlicher Folge aufgenommen. Etwa gleichzeitig am 1.9.(1929) wurde diese Linie im Sonntagsverkehr weitergeführt über Oerlinghausen, Pollmannskrug, Kreuzkrug bis nach Kracks, wo der Anschluss an die bestehende Sonntagslinie Kracks / Sennefriedhof erreicht wurde. Hier wurde ein eineinhalbstündlicher Verkehr eingerichtet.
Wie die Entwicklung dieser Linie zeigt, ist für diese 26 Kilometer lange Überlandlinie, die die Provinzialstraße nördlich und südlich des Teutoburger Waldes miteinander verbindet, ein unbedingtes Bedürfnis vorhanden gewesen.
Auf Grund eines von uns gestellten Antrages bei der Regierung in Minden konnte am 6. Dezember (1929) die Werktagslinie Sieker / Scherenkrug bis nach Oerlinghausen-Stadt (Kastanienkrug) erweitert werden; die Linie weist damit eine Länge von 11,2 Kilometer aus; sie wurde ebenfalls eineinhalbstündlich befahren.
Um den Vorortverkehr weiter auszubauen, sollen im Jahre 1930 Genehmigungen nachgesucht werden für eine Linie von Bielefeld über Quelle nach Ummeln und eine solche vom Sennefriedhof über Kracks nach Stuckenbrock und Augustdorf.
Trotz Einrichtung der neuen Linie erfuhr der Autobuspark keine Vergrößerungen; freilich musste manche Sonderfahrt aufgegeben werden.
Mit Rücksicht auf die erst im Herbst erfolgte Inbetriebnahme der genannten Linien ist die Steigerung der Wagenkilometer-Leistung um 11% gegenüber der des Vorjahres als recht beträchtlich zu nennen. Wie die durchgeführten Reparaturen zeigen, stiegen mit den Leistungen die Anforderungen, die an die Werkstatt gestellt wurden.
Die Zahl der Generalreparaturen betrug 9; sie wurden in eigener Werkstatt vorgenommen, während die Lackierungen vergeben werden mussten, weil weder die Autobuswerkstatt noch die alte Straßenbahnwerkstatt eine Einrichtung für Lackierung von Autobussen besitzt. Um an Kosten zu sparen, erfolgten nur 3 Neulackierungen. Außer den gewöhnlichen kleineren wurden 23 größere Reparaturen vorgenommen; 3 dieser Reparaturen waren die Folge von Zusammenstößen mit fremden Fahrzeugen.
Obgleich die Betriebsleistungen im erheblichen Maße stiegen, blieb die Unfallziffer erheblich hinter der des Jahres 1928 zurück. Die Zahl der den Behörden gemeldeten Unfälle betrug 7; davon verliefen 6 ohne Verletzungen und 1 Unfall mit leichter Verletzung. Ein tödlicher Unfall war nicht zu verzeichnen. 5 Fälle waren auf Selbstverschulden zurückzuführen, bei 2 Unfällen herrschte unglücklicher Zufall vor.
Quelle: Jahresbericht des Städtischen Betriebsamts Bielefeld. Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerk, Strassenbahn, Kraftwagenbetrieb und Verkehrsamt für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1929 (Stadtarchiv Bielefeld). Die Angaben in Klammern wurden zum besseren Verständnis ergänzt.