Geschäftsbericht der Strassenbahn Bielefeld für das Jahr 1921



Jahresbericht des Städt. Betriebsamts Bielefeld.
Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerk und Strassenbahn
für die Zeit vom 1. April 1921 bis 31. März 1922


Strassenbahn (21. Betriebsjahr)

Die dauernde Verteuerung aller Betriebsstoffe und die mit der Geldentwertung fortschreitenden Lohn – und Gehaltserhöhungen haben das wirtschaftliche Ergebnis der Straßenbahn im abgelaufenen Betriebsjahr weiter ungünstig beeinflußt. Der sich unter Berücksichtigung nur normaler Abschreibungen von den Goldwerten ergebende Fehlbetrag beträgt 1.400.137 M gegen 500.369 M im Vorjahr. Die am 1.12.1921 vorgenommene Fahrpreiserhöhung von 50 Pfg., 75 Pfg. und 100 Pfg., 150 Pfg. und 200 Pfg. konnte an dem Ergebnis nicht viel ändern. Der Erfolg blieb, wie bisher stets, hinter den Erwartungen zurück.

Die vielfach vertretene Ansicht, dass es vielleicht möglich gewesen wäre, durch eine einige Monate früher eingeführte Fahrpreiserhöhung ein besseres Ergebnis zu erzielen, teilen wir nicht. Ein Verkehrsunternehmen ist nicht, wie die meisten Unternehmungen in der Industrie und im Handel in der Lage, die Steigerung der Ausgaben jederzeit durch entsprechende Einnahmen bzw. Fahrpreiserhöhungen auszugleichen. Der Erfolg einer Fahrpreiserhöhung steht in engem Zusammen hang mit der Geldentwertung, die einer Verarmung des Volkes gleichkommt und es dazu zwingt, nicht notwendige Ausgaben zu unterlassen. Jede Steigerung der Fahrpreise zieht daher eine Abwanderung nach sich, die bei nicht richtiger Wahl des Zeitpunktes anstatt eines Erfolges leicht einen Misserfolg zeitigen kann. Auch der Vergleich zu Fahrpreisen der Straßenbahnen anderer Städte, die vielfach höher sind als in Bielefeld, hat häufig Anlass zur Kritik gegeben. Es beweist aber keineswegs, dass eine Anpassung unserer Fahrpreise an die anderen bahnen eine Besserung der wirtschaftlichen Lage ermöglicht hätte. Die Bemessung der Fahrpreise ist stets von den örtlichen Verhältnissen abhängig. Die Benutzung der Straßenbahn in Bielefeld ist für den weitaus größten Teil der Fahrgäste, das sind diejenigen, welche die frühere 10-Pfg.-Strecke durchfahren und den größten Teil der Einnahmen bringen, kein unbedingtes Bedürfnis, so dass eine Überschreitung der zulässigen Fahrpreishöchstgrenze, die sich nicht mathematisch bestimmen lässt, sondern nur auf Grund eingehender Beobachtung der besonderen Verhältnisse und langjähriger Erfahrung ermittelt werden kann, bestimmt zu einem Misserfolg führen muss.

Die Betriebseinnahmen beliefen sich auf 6.207.460 M gegen 3.693.784 M im Vorjahr, denen 7.507.116 M an Ausgaben gegenüberstehen. Hiervon entfallen nach Abzug der Verkehrssteuer von 296.922 M auf Löhne 54%, auf Gehälter 7,5%, auf die übrigen Betriebskosten 38,5%. Im Betriebsjahr 13/14 betrugen die Löhne 46%, Gehälter 6,7%, die übrigen Betriebsausgaben 47,3% der Gesamtausgaben. Das Verhältnis der Einzelausgaben zu den Gesamtausgaben hat sich also erheblich verschoben. Während der Lohnanteil um 8%, der Gehälteranteil um 0,8% gestiegen ist, ist der Anteil der sonstigen Betriebsausgaben um 8,8% zurückgegangen. Es zeigt sich hieraus, dass die fernere Lebensfähigkeit des Unternehmens in erster Linie von der Entwicklung der Lohnverhältnisse abhängt und zwar umso mehr, als eine wesentliche Steigerung der Einnahmen durch weitere Fahrpreiserhöhungen aus den vorher genannten Gründen kaum noch möglich sein wird und mit einer Zunahme der Beförderungszıffer ebenfalls nicht zu rechnen ist. Schon heute kann gesagt werden, dass sich der Fehlbetrag, wenn nicht ein ganz unerwarteter Umschlag der Verhältnisse eintritt, auch bei der größten Sparsamkeit im nächsten Jahre wenigstens verdoppelt.

Die Zahl der beförderten Personen stieg von 6.795.250 auf 8.548.265. Die Fahrleistung betrug 1.654.902 gegen 1.452.522 Wagenkilometer im Vorjahr. Die Platzausnutzung ergab sich im Jahresmıttel zu 43,8%.

Neben den laufenden Unterhaltungsarbeiten wurde eine Auswechselung von 365 Meter neuen Kurvengleises und der Einbau einer neuen Weiche am Kriegerdenkmal vorgenommen.

An Unfällen sind insgesamt 23 gemeldet, die fast alle ohne nennenswerten Schaden verliefen. Weitere Angaben über die technischen und wirtschaftlichen Ergebnisse sind aus den nachfolgenden Aufstellungen zu ersehen.


Quelle: Jahresbericht des Städt. Betriebsamts Bielefeld. Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerk und Strassenbahn für die Zeit vom 1. April 1921 bis 31. März 1922 (Stadtarchiv Bielefeld). Die Angaben in Klammern wurden zum besseren Verständnis ergänzt.

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