Westfalen-Blatt vom 12. Februar 1954
Unverminderte Gegensätze im Bielefelder Omnibusstreit
Versuch der Gewerkschaften, die Lage zu klären, mißlang - Interessengemeinschaft will sich durchsetzen
Der Versuch der Gewerkschaften, in einer Versammlung, die gestern abend im Dorfkrug in Jöllenbeck stattfand, die Lage im Bielefelder Omnibusstreit zu klären und die immer noch erhitzten Gemüter zu beruhigen, mißlang. Aber zum ersten Mal kamen die Kreisbahnen zu Wort, da sowohl Landrat Specht wie Oberkreisdirektor Schütz Gelegenheit gegeben war, ihre Meinung zu vertreten. Wie groß das Interesse der am Berufsverkehr Teilnehmenden an diesem Streit ist, bewies die Tatsache, daß etwa 800 Teilnehmer erschienen waren, die der Saal kaum zu fassen vermochte.
In den einleitenden Worten betonte Gewerkschaftssekretär Generotzky, nicht darum gehe es, ob der Berufsverkehr von den Kleinbahnen oder der Firma Ewert durchgeführt werde, sondern entscheidend sei allein, daß der Arbeiter auf dem schnellsten und billigsten Weg zum Arbeitsplatz und heim befördert werde. Gleichzeitig aber gelte es, gefallene gerichtliche Entscheidungen anzuerkennen und sich auf den Boden der Tatsachen zu stellen. Landrat Specht gab zunächst einen Rückblick auf die Entwicklung und wies den Vorwurf zurück, die Kreisbahn habe den Anschluß verpaßt. Schon 1936 habe der Kreis, leider ohne Erfolg, den Antrag auf Errichtung einer Omnibuslinie gestellt. Nach dem Kriege sei die Einrichtung nicht möglich gewesen, weil die Bestimmungen der Militärregierung das nicht zuließen. Als dann nach der Währungsreform der Streit zwischen der Firma Ewert und den Kreisbahnen ausgebrochen sei, habe er immer wieder versucht, ein Übereinkommen mit der Firma Ewert anzustreben, das für beide Teile annehmbar gewesen sei. Erst die Ablehnung aller Vorschläge durch die Firma Ewert habe zur Zuspitzung der Situation geführt. Die Ausführungen des Landrats wurden oft von erregten Zwischenrufen, tosendem Lärm und lautem Gelächter unterbrochen. Es gelang auch dem Versammlungsleiter trotz aller Bemühungen nicht, die Zuhörer zu beruhigen. In der Diskussion, die mit Leidenschaft und Heftigkeit geführt wurde, kam immer wieder zum Ausdruck, daß die Firma Ewert alles getan habe, um den Berufsverkehr nicht nur pünktlich durchzuführen, sondern um dem Publikum die Fahrten so angenehm wie möglich zu gestalten, was man von den Kreisbahnen nicht behaupten könne. Die Argumente blieben nicht immer sachlich, aber sie zeugten ausnahmslos von dem festen Willen, alle denkbaren Wege zu beschreiten, die dazu führen könnten, daß die Firma Ewert weiterhin den Omnibusverkehr durchführt. |
Der gewählte Sprecher der gebildeten Interessengemeinschaft warf dem Landrat vor, er habe 1946 auf einer Tagung in Halle der Firma Ewert seine Unterstützung zugesichert und halte sein Wort nicht. Eine Unterredung mit dem Regierungspräsidenten und dem Verkehrsministerium in Düsseldorf sei erfolglos gewesen, da das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch schwebe. Erst durch persönliche Rücksprache sie die Weiterleitung der Akten an das Oberverwaltungsgericht Münster beschleunigt worden. Der Gewerkschaft warf der Sprecher vor, sie hätte sich eher im Sinne der Arbeiter einsetzen müssen.
Der Hinweis des Versammlungsleiters, daß nicht diese Versammlung, sondern das Gericht die Entscheidung fälle, die respektiert werden müsse, verhallte ungehört. Amtsdirektor Deuker widerlegte die Behauptung, der Landrat habe Ewert seine Unterstützung zugesagt mit der Erklärung, der Landrat sei bei der damaligen Besprechung nicht zugegen gewesen. Die Kleinbahn abzuwracken, wie von einigen Zwischenrufern unter starkem Beifall gefordert worden war, sei unsinnig, befördere sie doch t5äglich allein 1500 Menschen von Jöllenbeck nach Bielefeld. Das zweifellos sachliche Wort warf der Redner in die Debatte, der die Gewerkschaften aufforderte, zwischen den beiden Gegenern zu vermitteln. Als einziger Vertreter der Kreisbahnen drang Oberkreisdirektor Schütz mit seinen Argumenten durch. Er erkannte zunächst die Verdienste der Firma Ewert an, bat aber auch, man möge die Leistungen der Kleinbahnen nicht herabsetzen. Der Kreis habe versucht, einen Mittelweg einzuschlagen, und dieser Mittelweg sei der Regierungsvorschlag gewesen, den Bielefelder Kreisbahnen unter der Bedingung die Konzession zu erteilen, daß sie der Firma Ewert die Betriebsführung übergebe. Die Kreisbahnen seien dazu bereit gewesen und hätten auch dann noch eine Einigung erstrebt, als sie die Konzession ohne diese Auflage erhalten haben. Damit habe der Kreis alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Abschließend warnte der Oberkreisdirektor davor, Interessen mit ungesetzlichen Mitteln zu vertreten, da ein solcher Weg niemals zum Ziel führen werde. Den Vorschlag des Versammlungsleiters, die Gewerkschaften sollten zwischen den Kreisbahnen und der Firma Ewert vermitteln, lehnte die Versammlung ab, da man die Vertreter der Interessengemeinschaft zu diesen Verhandlungen nicht zugelassen wollte. Die Ablehnung der Versammlung war ein regelrechtes Mißtrauensvotum. |