Herforder Kleinbahnen: Rollböcke
Der Rollbockverkehr der Herforder Kleinbahnen kam in den ersten Betriebsjahren nur zögerlich in Gang. Erst 3 Jahre nach Betriebseröffnung wurden die ersten Rollböcke beschafft. In den folgenden Jahren stieg der Rollbockverkehr stetig an - im letzten Betriebsjahr 1966 wurden schliesslich alle Güter mit aufgebockten Fahrzeugen befördert.
Die ersten Jahre
Die ersten vier Rollböcke (201-204) wurden von den Herforder Kleinbahnen 1903 angeschafft. Einen ersten Aufschwung erlebte der Rollbockverkehr durch zwei Anschliesser: Die Margarinefabrik Meyer (Lippinghausen) erhielt 1906 ein eigenes Anschlussgleis und schaffte dafür 12 Rollböcke an (207-218). Im Jahr 1909 folgte die Städtische Gasanstalt in der Werrestrasse in Herford, die ebenfalls auf eigene Rechnung 6 Rollböcke in Dienst stellte. Diese privaten Rollböcke wurden in den Fahrzeugpark der Herforder Kleinbahnen eingegliedert.
1912 wurden durch die Herforder Kleinbahnen weitere 10 Rollböcke (die späteren Nummern 1-10) in Betrieb genommen.
Während des ersten Weltkrieges wurden im Jahr 1917 vier Rollböcke an die Heeresverwaltung abgegeben. Danach werden die ältesten Rollböcke aus dem Jahr 1903 nicht mehr erwähnt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Nummern 201-204 abgegeben wurden.
Diese Rollböcke wurden im ersten Weltkrieg an der Westfront eingesetzt. Dort hatte das deutsche Heer die meterspurigen Kleinbahnstrecken Verdun - Montemédy, Sedan - Montemédy und Sedan - Paliseul als Transportmittel zu den Schlachtfeldern genutzt. Fotos belegen den Einsatz von Rollböcken. Der Verbleib der Herforder Rollböcke nach dem ersten Weltkrieg ist unbekannt.
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Der Bestand nach 1917
In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg nahm der Rollbockverkehr weiter zu, so dass 1920 in zwei Lieferungen 20 und 10 Rollböcke angeschafft wurden. In den dreissiger Jahren (1935 oder 1936) wurden noch einmal 6 Rollböcke über die Firma Dolberg in Dortmund angeschafft. Der Fahrzeugbestand lag über viele Jahre bei 70 Rollböcken. Die Rollböcke wurden nach dem gemeinsamen Nummernplan mit der Bielefelder Kreisbahn mit den Nummern 1-52 und 77-94 bezeichnet.
Die Rollböcke wurden mit den aufgebockten Regelspurwagen bis zur Elektrifizierung in den 30er Jahren in die regulären Zügen mit eingestellt. Dafür waren sie mit einer Körting-Saugluftbremse ausgestattet. Die Umstellung auf elektrischen Persoenverkehr führte zur Trennung von Personen- und Güterverkehr. Die Bremsanlagen wurden entfernt und aus überzähligen Personenwagen in eigener Werkstatt 3 Bremswagen (228-230) umgebaut. Diese Bremswagen bekamen wurden mit Betongewichten auf 15 to beschwert und machten ein sicheres Bremsen der Rollbockzüge möglich.
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Entwicklung nach 1945
In den 50er Jahren wurden die ersten Rollböcke ausgesondert und 1956 noch einmal um 6 gebrauchte Fahrzeuge der stillgelegten Bielefelder Kreisbahnen ergänzt. In den Inventarlisten der Herforder Kleinbahnen findet sich zusätzlich ein Rollbock mit der Nummer 98, der eigentlich den Bielefelder Kreisbahnen gehörten müßte. Wie und wann er nach Herford kam, ist unklar.
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Verbleib der Rollböcke nach 1966
Das Verkehrsaufkommen war ab Ende der 50er Jahre rückläufig, überzählige Rollböcke nach und nach abgestellt. Einzelne Rollböcke wurden noch in der Werkstatt in Herford benutzt, um schweres Material und Wagenkästen zu bewegen. Die meisten Rollböcke werden nach ihre Abstellung zerlegt worden sein.
Nur von vier Rollböcke ist ein anderer Verbleib bekannt: Sie gelangten 1966 zur Sylter Verkehrsgesellschaft. Was in Sylt mit den Rollböcken wirklich geplant war, ist bisher unbekannt. Die Sylter Verkehrsgesellschaft übernahm von der Südharz-Eisenbahn zwei Zwischenwagen, so dass nur noch eine Rollbockgrube für den Rollbockverkehr gefehlt hat. Ein Rollbockverkehr war bei den Gleisverhältnissen auf Sylt jedoch völlig ausgeschlossen: Die Gleise lagen in der weichen Sandbettung! Ob man es trotzdem "einfach mal so" ausprobieren wollte?
Tatsächlich wurden die Rollböcke auf Sylt für einen anderen Zweck eingesetzt: Sie dienten der Werkstatt in Westerland zum Transport von Motoren und anderen schweren Fahrzeugteilen. Nach der Stillegung des Betriebes dürften sie 1972 in Westerland zerlegt worden sein.
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Fahrzeugtechnik und technische Daten
Die Rollböcke verfügten bei ihrer Auslieferung über eine eigene Bremsanlage System Körting (Saugluftbremse). Dadurch konnten die aufgebockten Regelspurwagen in die regulären Zügen eingestellt werden. Die Elektrifizierung in den 30er Jahren führte zur Trennung von Personen- und Güterverkehr. Danach wurden die Bremsanlagen entfernt und aus überzähligen Personenwagen in der Werkstatt in Enger 3 Bremswagen (228-230) umgebaut. Diese Bremswagen wurden mit Betongewichten auf 15 to beschwert und machten ein sicheres Bremsen der Rollbockzüge möglich.
Zur Tragfähigkeit der Rollböcke gibt es verschiedene Angaben. Offenbar wurden die Fahrzeuge in der eigenen Werkstatt nach und nach ertüchtigt. In den letzten Betriebsjahren wurde eine Tragfähigkeit von 15 to angegeben.